Hermann Weyl als Philosoph

Hermann Weyl (1885-1955) gilt als einer der wichtigsten Mathematiker des 20.Jahrhunderts. Dieses Projekt widmet sich seinen philosophischen Schriften und zeigt die Einheitlichkeit seines Denkens auf. Insbesondere werden die Bedingungen, unter denen Weyl zu Bezugnahmen auf Husserl und den Deutschen Idealismus im Kontext seiner mathematischen und physikalischen Arbeiten kommt, systematisch rekonstruiert. Als wichtige Voraussetzung erweisen sich dabei die akademischen Umgebungen aus seiner Studienzeit in Göttingen und insbesondere die Konstellation mit dem Fichte-Experten Fritz Medicus während ihrer gemeinsamen Zeit an der ETH Zürich von 1913 bis 1930.

Im Zuge dieses Projekts werden verschiedene Schwerpunkte von Weyls und Medicus' Arbeiten vor dem Hintergrund eines Spannungsverhältnisses zwischen Husserlscher Phänomenologie und Fichtescher Wissenschaftslehre historisch rekonstruiert und zugleich an gegenwärtige Debatten angeschlossen. Diese Schwerpunkte sind insbesondere die Analyse des mathematischen Kontinuums im Zusammenhang der Grundlagenkrise der Mathematik, der Materiebegriff der modernen Physik, symbolische Konstruktionen in den Wissenschaften allgemein sowie das konstitutive Verhältnis von Gesellschaft und Individuum (Ichbegriff). All diese Auseinandersetzungen sind jeweils eng mit einem Umgebungsbegriff verknüpft ist. So wenig, wie es nach Weyl außerhalb eines topologischen Abstraktionsprozesses, der auf Umgebungen basiert, Punkte einer Ebene geben kann, so wenig gibt es für ihn das (umgebungsunabhängige) Innere der Materie, ein einzelnes systemunabhängiges Symbol in einem Formalismus oder das Wesen eines einzelnen Menschen ohne Rücksicht auf soziale Umfelder. Punkte, Materie, Symbole und Menschen werden laut Weyl und Medicus über Umgebungen konstitutiert.

Auch die Methode dieses Projektes ist "umgebungsorientiert", da sie sich an die neuere Konstellationsforschung anschließt (dabei aber eigene Schwerpunkte setzt). Die Einheitlichkeit, die der Umgebungsbegriff hierdurch zwischen Inhalt und Methode erzeugt, ist für dieses Projekt zentral, weil damit eine Verschränkung von Geschichte und Systematik produziert wird, die selbst wiederum dem Anspruch diverser Arbeiten von Weyl und Medicus entspricht.

Mitwirkende:
PD Dr. Dr. Norman Sieroka
Prof. Dr. Michael Hampe
externe SeiteProf. Dr. Erhard Scholz (Mathematik, Universität Wuppertal)

Publikationen zum Thema:

  • N. Sieroka (2015): Weyl's Abandonment of Unified Field Theory. In: Proceedings of the Thirteenth Marcel Grossmann Meeting on General Relativity, ed. by R.T. Jantzen, K. Rosquist und R. Ruffini. World Scientific, Singapur, pp. 2061-2063.
  • N. Sieroka (2012): Hermann Weyl und Fritz Medicus: Die Zürcher Fichte-Interpretation in Mathematik und Physik um 1920. Fichte-Studien 36, pp. 129-143.
  • N. Sieroka (2010): externe SeiteUmgebungen. Symbolischer Konstruktivismus im Anschluss an Hermann Weyl und Fritz Medicus. Chronos Verlag, Zürich.
  • N. Sieroka (2010): Geometrization Versus Transcendent Matter: A Systematic Historiography of Theories of Matter Following Weyl. British Journal for the Philosophy of Science 61 (4), pp. 769-802.
  • N. Sieroka (2010): A Weylian Approach Towards Theories of Matter. In: EPSA Philosophical Issues in the Sciences, ed. by M. Suárez, M. Dorato, and M. Rèdei. Springer, Dordrecht, pp. 219-226.
  • N. Sieroka (2009): Husserlian and Fichtean Leanings: Weyl on Logicism, Intuitionism, and Formalism. Philosophia Scientiae 13 (2), pp. 85-96.
  • N. Sieroka (2009): Hermann Weyl - Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft. In: Kindlers Literaturlexikon, vol.17. Verlag J.B. Metzler, Stuttgart, pp. 361-362.
  • N. Sieroka (2008): Hermann Weyl (1885-1955). In: Handbook of Whiteheadian Process Thought, vol.2, ed. by M. Weber and W. Desmont. Ontos Verlag, Frankfurt, pp. 539-548.
  • N. Sieroka (2007): Weyl's "Agens Theory" of Matter and the Zurich Fichte. Studies in History and Philosophy of Science 38 (1), pp. 84-107.
  • N. Sieroka (2005): Thomas Ryckman, The Reign of Relativity: Philosophy in Physics 1915-1925 (Book Review). Studies in History and Philosophy of Modern Physics 36 (4), pp. 724-729.
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